Das wahrgenommene Spannungsverhältnis zwischen Open Science und Forschungssicherheit
Ein Kommentar des Helmholtz Open Science Office zu dem wahrgenommenen Spannungsverhältnis zwischen Open Science und Forschungssicherheit.
Stellt das Paradigma „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“ (oder „intelligent openness“, wie von der Royal Society definiert) Wissenschaftler:innen und Institutionen angesichts zunehmender internationaler Spannungen vor neue Herausforderungen? In diesem kurzen Kommentar des Helmholtz Open Science Office zeigen wir auf, dass dies im Allgemeinen nicht der Fall ist, und argumentieren, dass der offene Austausch von Wissen ein Eckpfeiler der Wissenschaft ist und bleibt, auch wenn sich die Anforderungen an die Forschungssicherheit ändern.
Open-Science-Policies und -Praktiken zielen darauf ab, den größtmöglichen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen zu ermöglichen, und greifen, nachdem eine ursprüngliche Entscheidung zur Veröffentlichung getroffen wurde. Die Frage, ob eine Veröffentlichung über Open-Access-Plattformen oder über traditionelle Subskriptions-basierte Modelle erfolgen soll, ist jedoch unter Sicherheitsaspekten irrelevant, da jede Online-Information potenziell für jede Person zugänglich ist. Obwohl steigende Sicherheitsanforderungen nicht zwangsläufig zu einer Änderung der Art und Weise der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen führen, beeinflussen sie doch die Entscheidung, was veröffentlicht werden soll. Bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen – seien es Texte, Daten oder Software – ist es in der Regel keine realistische Option, einen selektiven Zugang nur für vertrauenswürdige Organisationen oder Personen zu gewährleisten. Die Überlegung sollte daher eher sein, ob Sicherheits- oder Datenschutzrisiken gemindert werden können oder ob (ein Teil der) Ergebnisse überhaupt nicht veröffentlicht werden sollte.
Die wirklichen Herausforderungen entstehen viel früher im Forschungszyklus und beinhalten die sorgfältige Auswahl (und möglicherweise das Screening) von Forschungspartner:innen und die Vereinbarung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Integrität/Ethikstandards. Die Weitergabe unveröffentlichter Arbeiten an Forschungspartner:innen erfordert eine sorgfältige Abwägung, wem man vertrauen kann, insbesondere im internationalen Kontext – siehe auch Empfehlungen wie die der CESAER (Conference of European Schools for Advanced Engineering Education and Research) oder die gemeinsamen Leitlinien der G7. Nichtsdestotrotz erfordern die allgemein anerkannten Standards für wissenschaftliche Integrität, dass die Forschungspartner:innen vollen Zugang zu den (veröffentlichten und unveröffentlichten) Originaldaten und -codes haben, um die Glaubwürdigkeit und die gemeinsame Verantwortung für die entsprechenden Ergebnisse zu gewährleisten. Die Einschränkung dieses Zugangs für Forschungspartner:innen birgt nicht nur die Gefahr, dass eine effektive Zusammenarbeit untergraben wird, sondern steht auch im Widerspruch zu guter wissenschaftlicher Praxis.
Das eigentliche Spannungsverhältnis besteht also weniger in der Abwägung „Open Science vs. Forschungssicherheit“, sondern vielmehr in der Abwägung „Zusammenarbeit vs. Forschungssicherheit“. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass die Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit nur durch globale Zusammenarbeit erreicht werden können. Die größere Gefahr für Open Science besteht darin, dass sie zu vorsichtig wird (d. h., dass Ergebnisse ohne angemessene Begründung als Sicherheitsrisiken eingestuft werden) und dadurch der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft wertvolle Beiträge vorenthalten werden. Um dies zu vermeiden, wird von den Forschungseinrichtungen erwartet, dass sie geeignete Mechanismen zur sorgfältigen Abwägung von Sicherheitsbedenken beim Aufbau von Kooperationen einrichten, damit die Grundsätze der Offenheit und Integrität gewahrt werden können.